Dienstleister sind wichtig – aber jeder muss auch selbst für seine Daten vorsorgen! Peter Wilhelm (Bestatterweblog) im Interview

Seit 2004 bloggt Peter Wilhelm (Wikipedia) unter Bestatterweblog über die Bestatterbranche. Damit ist er das Urgestein der deutschen Bestatter-Blogosphäre. Grund genug, ihn hier zum Thema digitaler Nachlass zu Wort kommen zu lassen!

Hallo Herr Wilhelm! Zunächst eine kurze Frage zu Ihnen: Wie kam es zum Bestatterweblog – und was motiviert Sie, immer weiter zu bloggen?

Foto von Peter Wilhelm
Peter Wilhelm. (c) privat

Als Bestatter steht man immer recht schnell im Fokus des Interesses, wenn die Leute erfahren, was man beruflich macht. Kaum hat man das gesagt, kommen die Menschen mit Fragen, die sie sonst nirgendwo stellen können.

Da ich seit Jahrzehnten als Autor und Journalist arbeite, fand ich es eine logische Konsequenz, einen offenen Blog über das Thema zu schreiben. Mein Credo: Wenn man über etwas Bescheid weiß, muss man keine große Angst mehr davor haben.

Gerade in der Bestatterbranche findet vieles hinter den Kulissen und im Verborgenen statt. Das hat auch seine guten Gründe. Aber genau vor diesem Geheimnisvollen haben die Menschen Angst und aus diesem Nichtwissen erwachsen auch Gerüchte und Fehlinformationen. Klärt man aber im Vorfeld über alles auf, werden diese Ängste, Gerüchte und urbanen Legenden abgebaut.

digital.danach widmet sich einem sehr speziellen Thema: dem digitalen Nachlass von Menschen. Sind Sie selbst mit diesem Thema schon in Berührung gekommen?

Natürlich stellt sich zunehmend die Frage, was mit den digitalen Hinterlassenschaften der Menschen eines Tages passiert. Für viele haben die sozialen Netzwerke einen hohen Stellenwert in ihrem Leben. Sie möchten dann, dass diese auch entsprechend abgewickelt werden, wenn sie mal nicht mehr leben.

Eine Standardreaktion auf digitalen Nachlass ist, schlicht und einfach alles zu löschen, was ein Mensch im Internet hinterlassen hat. Was halten Sie von diesem Ansatz? Brauchen wir zusätzlich auch eine „Kultur des Bewahrens“ wie beim physischen Nachlass?

Diesen Standardansatz erkenne ich nicht als solchen. Mir sind mehrere Varianten als sehr gleichbedeutend begegnet. Die einen wünschen, dass die digitalen Spuren ihres Verstorbenen einfach verschwinden und gelöscht werden. Dieser Mensch lebt nicht mehr, kann diese sozialen Kontakte oder Webseiten nicht mehr pflegen und man möchte auch nicht übers Netz ständig an ihn erinnert werden. Ein durchaus verständlicher Wunsch, wenn man betrachtet, mit welchem Blödsinn teilweise die verblieben Facebookseiten von Verstorbenen überflutet werden.

Die nächste Variante ist eine bewahrende Variante. Man möchte das, was der Verstorbene zu Lebzeiten im Netz geschaffen hat, auch für die Nachwelt und als Erinnerung bewahren. Das können ja sehr wertvolle und über Jahrzehnte zusammengestellte Webseiten sein. Oder man möchte die Profilseite eines sozialen Netzwerkes als Quasi-Gedenkstätte bewahren.

Die dritte Variante ist eine Kombination der ersten beiden. Im ersten Schritt wird alles bewahrt und sukzessive werden die Inhalte gelöscht oder verschlankt. Hierzu bedarf es einer Person, die sich damit auskennt und die zu erhaltenden Teile erkennen kann und bewahrt, während andere Auftritte im Netz gelöscht werden. Diese Variante kann aber auch dazu genutzt werden, nach der Trauerphase alles zu löschen.

Ach ja, ich vergaß die vierte Variante: Es ist den Hinterbliebenen schlicht und ergreifend völlig schnurz, was im Netz vom Verstorbenen übrig bleibt.

Die nächste Frage mag etwas hart klingen, aber um genau diese Dinge sollten wir uns verstärkt Gedanken machen: Wie soll es mit dem Bestatterweblog weitergehen, sollten Sie sterben?

Das Bestatterweblog wird als Informationsquelle noch eine ganze Weile weiterbestehen. Neue Inhalte werden nicht mehr hinzukommen. Der Fortbestand ist gesichert, aber eine ewige Gedenkstätte wird das nicht.

Wie würden Sie selbst vorgehen, wenn jemand aus Ihrem Umfeld morgen stirbt und digitale Daten hinterlässt? Einen Dienstleister engagieren oder sich selbst an die Arbeit machen?

Es ist gut, dass es hierfür Dienstleister gibt, denn die Vorgehensweisen sind nicht trivial. Ich persönlich verfüge über das notwendige Know-How und könnte das selbst erledigen. Aber dennoch empfehle ich jedem, hiermit einen Spezialisten zu beauftragen.

Und nun noch eine “philosophische” Frage zum Abschluss: Was wird sich in Sachen digitale Trauerkultur in den nächsten Jahren tun und wo gibt es praktischen Handlungsbedarf?

Ich vermag die Philosophie nicht zu erkennen. Wenn Sie aber einen Ausblick, eine Zukunftsvermutung von mir hören wollen, dann lautet die Antwort so: Als Bestatter erlebt man es immer wieder, dass Witwen vor einem sitzen und sich bei den einfachsten Dingen nicht auskennen. „Das hat alles immer mein Mann gemacht“, heißt es dann.

Das wird in Zukunft noch mehr zunehmen, denn immer mehr Menschen betreiben Webseiten, sind in den sozialen Netzwerken mit einem Profil präsent oder verwalten ganze Häuser über eine internetgesteuerte Hauselektronik. Man verwaltet seine Konten online, hat bei allen Versicherungen und Firmen Kundenkonten angelegt. Wenn nun derjenige, der sich mit all diesen Dingen auskennt, verstirbt, dann stehen die Hinterbliebenen ratlos und hilflos da.

Deshalb muss jeder, der intensiv diese Möglichkeiten nutzt, Vorsorge dafür treffen, dass die Verwaltung und Steuerung all dieser Dinge auch in Zukunft, auch nach seinem Tod gewährleistet und fortgeführt werden kann. Meistens scheitert eine Fortführung ja schon an einem simplen Passwort. Hier bedarf es einer zuverlässigen Lösung, die all diese Probleme abpuffert.

Lieber Herr Wilhelm, vielen Dank für Ihre Zeit!

 

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3 Gedanken zu „Dienstleister sind wichtig – aber jeder muss auch selbst für seine Daten vorsorgen! Peter Wilhelm (Bestatterweblog) im Interview“

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